Die in vielen Bereichen zunehmende Dynamik und Ungewissheit stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Strukturen und Prozesse müssen der Dynamik angepasst, intelligenter und flexibler werden. Noch wesentlicher ist das, was in den Köpfen der Mitarbeitenden geschieht. Sie müssen nicht nur mitgenommen werden, sondern zu Treibern und Schöpfern des neuen agilen Arbeitens, Lernens und Entwickelns werden. Das kann nur durch einen „Change of Mind“ gelingen, durch die Weitung unserer Begrenzungen „im Kopf“. Denn Agilität ist zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor in der Wirtschaft geworden.
Unsere Herausforderung – individuell wie kollektiv – besteht darin, zunehmend hohe Komplexität immer schneller zu verarbeiten. Als Klippen zeigen sich nicht nur Widerstand gegen und Angst vor Veränderung, sondern auch Aktionismus und „Überproduktion“ von Veränderung. Es gilt also einerseits „Don´t push the river.“ und andererseits nicht der „Fels in der Brandung“ zu sein, sondern mit dem Fluss des Lebens zu gehen – „Be the flow“. Wer hier mit der Wirklichkeit und ihren Potenzialen in Kontakt ist, agiert nicht nur effizienter und erfolgreicher, sondern auch stressfreier.
„Agil“ ist ein viel benutztes Schlagwort und ein „agiles Mindset“ ein erstrebenswertes Ziel für den Mitarbeitenden von heute geworden. Wie aber können wir ein tieferes Verständnis für Agilität entwickeln und agiler werden? Im Lateinischen meint „agilis“ so viel wie flink, wendig, beweglich. Zeitgemäßer ausgedrückt könnte man „agil“ mit lebendig, anpassungsfähig und kreativ umschreiben.
Welche Kräfte in uns sind nun agil und welche stehen dem entgegen? Aus integraler Perspektive kann zwischen verschiedenen menschlichen Entwicklungsstufen unterschieden werden, wobei die Agilität mit der Weiterentwicklung immer mehr zunimmt. Auf den unteren Entwicklungsstufen finden wir ein enges und begrenztes Mindset, das sich bemerkbar macht durch Eigenschaften wie starr und stur, bequem und veränderungsresistent, festhaltend an fixen Vorstellungen, Glaubenssätzen, Mustern u.ä.. Eine solche Geisteshaltung ist in der heutigen Zeit sowohl für den betreffenden Geist wie für sein Umfeld oft schädlich und leidvoll – auch dann, wenn er das selbst nicht erkennt.
Ein Mindset ist eine geistige Haltung, ein System aus einem Selbst- und Weltbild und damit verbundenen Werten, ein Modell davon, was die Welt ist, wie sie funktioniert und was gut und richtig ist. Es wirkt wie ein mentaler Filter, durch den alle Wahrnehmungen und Handlungsimpulse laufen. Damit begrenzt es die Realitätssicht und die Handlungsoptionen. Es spiegelt sich in der Persönlichkeit eines Menschen und der Kultur eines Unternehmens: Jeder von uns lebt in „seiner Welt“ und will „sein Ding machen“. Bedauerlicher Weise erkennen wir unsere Begrenztheit lange nicht und erliegen der Illusion, Realität wahrzunehmen und in der Realität zu leben. Allein durch Weiterentwicklung können wir uns der komplexen Wirklichkeit immer weiter annähern. Mit anderen Worten: Unser Mindset braucht regelmäßige Updates!
Sich weiter zu entwickeln und agiler zu werden bedeutet, in einem Stirb-und-Werde-Prozess (einer Transformation) zunächst vertraute Glaubenssätze, Werte und Verhaltensmuster loszulassen. Das ist schmerzlich, unbequem und verunsichernd und ein wesentlicher Grund dafür, warum grundlegender Wandel uns so schwer fällt.
Ein Mindset ist wie ein Softwareprogramm. Und es ist interessant, dass der moderne Begriff der Agilität aus der Software-Entwicklung stammt, denn Software steht für eine rein geistige Welt. Software ist eine „geistige Maschine“. Bereits Anfang des 20. Jh. bezeichnete Georges I. Gurdjieff den Geist im Menschen als eine Maschine. Dieser Geist ist wie ein Betriebssystem, das zunächst in großen Teilen unbewusst arbeitet – und keineswegs nur zu unserem Nutzen. Es ist in der Kindheit entstanden, als wir noch unbewusst waren, und beinhaltet verschiedene geistige Evolutionsstufen, man könnte sagen, verschiedene Versionen von Betriebssystemen.
Das, was unserer Agilität und Weiterentwicklung im Wege steht, sind also geistige Muster und Fixierungen, wie sie in jedem von uns wirken – mehr oder weniger stark und in der einen oder anderen Weise. Aus Sicht des Enneagramms sind die 3 zentralen, der Agilität entgegenwirkenden Kräfte Bequemlichkeit, Sicherheitsdenken sowie Streben nach Anerkennung und Bedeutung.
Durch Selbsterforschung ist es möglich, Licht in diese geistigen Strukturen (sowie deren emotionale und körperlichen Auswirkungen) zu bringen und zu prüfen, was davon uns nützt und was uns behindert, welche der Kräfte heilsam sind und welche leidvoll – eine Unterscheidung, die uns zunächst keineswegs leicht fällt. Die verschiedenen Tendenzen und Färbungen dieser Geisteshaltungen können jedoch durch integrale Landkarten wie das Enneagramm und Spiral Dynamics sehr präzise beschrieben und damit bewusst gemacht, geprüft und verändert werden. In diesem Selbsterforschungsprozess wird eine hohe Wirksamkeit erreicht, weil auch die zugrunde liegenden tieferen Antriebe ins Blickfeld geraten. In diesem Lernprozess über unsere Blinden Flecken ist das Feedback von Anderen ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Ein agiles Mindset ist ein Mindset des Wandels. Aber Wandel muss klug und angemessen sein. Hier gilt es, den Weg der Mitte zu finden zwischen dem Festhalten am Alten und der Fixierung auf Glücksversprechen einer besseren Zukunft (Digitaliserungs- und andere Hypes). Zwar hat Agilität mit Offenheit für Neues zu tun, das Neue gründet aber immer auf dem Bisherigen. Ohne Wertschätzung und Integration des Bewährten, oder gar im Kampf dagegen, fehlen uns Verwurzelung und Stabilität, werden wir abgehoben und disconnected.
Letztlich geht es darum, eine ganzheitliche Intelligenz zu entwickeln und in einen natürlichen Fluss zwischen Denk-, Fühl- und Handlungsintelligenz zu kommen. Das geschieht, wenn sich geistige Fixierungen (insbesondere auf eine dieser Ebenen) auflösen. Wir lernen unsere Betriebssysteme besser kennen, beginnen Herr im eigenen Haus zu werden und sie dort zu nutzen, wo es Sinn macht, und dort die Finger davon zu lassen, wo es uns schadet. So sind wir mehr in der Lage, Wandel kreativ und kritisch mit zu gestalten statt zu Getriebenen des Wandels zu werden.
Im Agilitäts-Coaching leiten uns Fragen wie:
Welche Veränderungen stehen an und wie stehe ich dazu?
Was bedeutet Unsicherheit für mich und wie gehe ich damit um?
Wie reagiere ich auf Widerstände (in mir und in anderen)?
Woran erkenne ich, dass mein Engagement für Veränderungen kontraproduktiv ist?
Was bedeutet Agilität und warum ist sie heute wichtig?
Was ist ein Mindset?
Wodurch ist mein Mindset charakterisiert?
Welche persönlichen Muster erkenne ich bei mir?
Welche Glaubenssätze sind mir bewusst? Was kennzeichnet mein Selbst- und Weltbild?
Welche Aspekte davon sind mir nützlich, welche begrenzend oder gar selbstschädigend?
Was davon macht mich lebendig, was lässt mich starr werden?
Zu welchen Entwicklungsstufen habe ich einen guten bzw. weniger guten Kontakt?
Welche Potenziale schlummern in mir und welche davon will ich entfalten?
Was erwartet uns in der Zukunft und wie kann ich sie proaktiv mitgestalten?